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1.1
„Am Anfang war das Wort“
„Im
Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war
Gott.“ Wir alle kennen diesen ersten Satz des
Johannesevangeliums. Aber die Frage, die ich gleich zu Beginn
meines Beitrages stellen möchte, lautet: Kennen wir auch die
Bedeutung dieses Satzes? Wissen wir moderne, westliche Menschen,
was es heißen soll, wenn hier vom „Wort Gottes“ die Rede ist?
Bedeutet „Wort“ in diesem Kontext tatsächlich
nur die gesprochene Sprache oder steckt nicht viel mehr in diesem
Begriff? Es gibt eine interessante Vergleichsstelle in der Bibel
selbst; diesmal im Alten Testament. In der Genesis, in der
bekanntlich von der Erschaffung der Welt berichtet wird, heißt es
in der landläufigen Übersetzung: „... und der Geist Gottes
schwebte über den Wassern.“ Neue Untersuchungen legen nahe, daß
diese Übersetzung nicht den Kern der Bibel-Aussage trifft: „Die
wirkliche Aussage des hebräischen Wortes ist tiefer. Der von den
meisten Übersetzern falsch übersetzte Ausdruck „rafeth“ =
„schweben“ in diesem Satz ergibt in Wirklichkeit >Und der
Geist Gottes vibrierte über den Wässern< ... Das
bedeutet, dass im Schöpfungsbericht alles Geschaffene von
„Schwingungen“ ... gestaltet ist“ (zit.
nach Avraham Schmidt + Sabine Normann-Schmidt: "Geist -
Wasser - Leben". In: Tattva Viveka Nr.29 [2006], S.24).
Das
hieße dann: Alles, was existiert, ist entstanden aus Schwingungen.
So dürfen wir hier offensichtlich die Bibel verstehen. Aber noch
viel mehr gilt diese Aussage für die alte indische Spiritualität,
wie ich im folgenden zeigen möchte.
1.2
OM – Der kosmische Urklang
Bereits
in den ältesten uns erhaltenen Texten Indiens, dem sogenannten
Veda (wörtlich „Wissen“), kommt die kosmische Ursilbe OM
vor. Das Gayatri-Mantra, eine Veda-Hymne zur Anrufung der
Sonnenenergie, die mindestens 3000 Jahre alt ist und von Millionen
Indern bei Sonnenaufgang rezitiert wird, beginnt mit den Worten:
„OM – Erde, Luftraum, Himmel ...“ (OM – bhur bhuvah svahah
...). Das OM, so heißt es in einem berühmten Text der
Upanishaden, „ ist also die letzte Essenz der Essenzen, die höchste,
die äußerste“ Und in der Mandukya-Upanishad, einem indischen
Text, der um 400 vor Christus entstanden ist, finden wir die
folgende Aussage:
All
dies ist das Unvergängliche, ist der Laut OM. Das wird auch so
gesagt: Was war, was ist, was sein wird – das alles ist der
Klang OM. Und was jenseits der drei Zeiten ist – auch das ist
der Klang OM.
Die
kosmische Urschwingung OM steht also im alten Indien für alles
Existierende. OM umschließt sowohl das Relative – das ist nach
indischer Sicht alles, was Zeit und Raum unterliegt und damit veränderbar
ist – als auch das Absolute; das ist nach indischer Vorstellung
das Unveränderliche, das letztlich auch den Kern des menschlichen
Wesens ausmacht. Durch OM ist alles entstanden und im OM ist alles
enthalten, so schwer begreiflich dies auch für unseren
(westlichen) Verstand sein mag ... (vgl.:
Christian Fuchs: "Vom Urklang der Welt. Schwingung und Mantra
in der indischen Spiritualität". In: Wolfgang Bossinger,
Raimund Eckle (Hrsg.): "Schwingung und Gesundheit".
(Traumzeit Verlag) Battweiler 2007, S.325f.)
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